Indianer: Verlierer und Identifikationsfiguren

Indianer: neue (alte) Ideale?

Indianer sind im Trend, Indianer werden vermarktet. Ob ihre Musik, ihr Schmuck, Literatur über sie oder ihre Kultur und Geschichte, die bereits in großen Kaufhäusern in Ausstellungen präsentiert werden – von allen Seiten drängt die Botschaft auf uns ein: Indianer sind unser Interesse wert, Indianer haben uns etwas zu sagen. Doch was?

Indianer sind Verlierer

Sie sind der westlichen Zivilisation, oder was sich dafür hält, unterlegen, und sie zählen zu den ärmsten Bevölkerungsteilen des großen reichen Amerikas. Sicher, aber die Tatsache, Verlierer oder Versager zu sein, hat noch niemals automatisch bedeutet, dass von diesen Menschen nicht eine besondere Anziehungskraft ausgeht. Che Guevara und seine immer noch anhaltende Faszination sind nur ein Beispiel dafür.

Was also repräsentieren Indianer für uns?

Sind sie nicht mehr als eine hochgeschätzte Abenteuerfigur im romantischen Erbe? Wohl kaum. Das wäre zu wenig für eine Zeit, die bestimmt wird durch verheerende Arbeitslosigkeit, wachsende Armut, Bildungsrückgang, soziale Ungerechtigkeit und die unaufhaltsam weiter aufgehende Schere zwischen Arm und Reich. Für eine Gesellschaft, in der die Happy few ihren Luxuskonsum zelebrieren, und deren Talkshows als fragliches Ventil für brennende soziale Probleme fungieren.

Traum und Vision sind für den Indianer identitätsstiftend. Für den zivilisierten Menschen zählen sie nicht zum Repertoire seiner Wirklichkeits-
erfahrung.

Der am weitreichendste Unterschied zwischen indianischem und weißem ‚Denken‘ betrifft die eigene Positionierung: Ein Indianer begreift sich immer als Teil eines Ganzen, als gleichberechtigter Teil in der ihm heiligen Natur und ihn umgebenden Welt.

Fotos © Edward S. Curtis

Juli, 1999