Sinti & Roma: Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum

Josef Maria Schneck

Josef Maria Schneck (1930-1944) um 1934

Foto, © Privatbesitz Elisabeth Schneck-Guttenberger

Verschiedenheit darf nicht zur Ungleichheit verkommen!

In einer Sonderausstellung im Münchner NS-Dokumentationszentrum wird die Verfolgung der Sinti und Roma in München und Bayern erstmals auch aus der Sicht der Minderheit dargestellt.

Roma wurden systematisch vernichtet

Denkt man an die Verbrechen der Nazis, denkt man unweigerlich an die Vernichtung der Juden. Dass auch die Volksgruppe der Sinti und Roma systematisch vernichtet wurde, ist einer breiten Masse unbekannt bzw. nicht genehm. Der Genozid an der größten Minderheit Europas, der Menschen, die Romanes sprechen und als Romvölker seit dem Mittelalter in Europa leben, wird selten gleich“wertig“ mit dem Holocaust an Juden gesehen. Etwa 30.000 Sinti und Roma lebten im deutschen Reich, 85 Prozent davon wurden ermordet. Die größte Menge wurde in den besetzten Gebieten getötet.

Gegen den Strich wahrnehmen

Noch heute leiden die Menschen unter Ressentiments und versuchter Ausgrenzung. Unser Blick auf die „Zigeuner“ wird dabei „geführt“ durch Projektionen und Klischees: Bilder einerseits von Asozialen, Kriminellen, Wahrsagerinnen, andererseits von exotischen Frauen à la feurige Carmen, sinnlichen Tänzerinnen oder Geigenspielern springen uns in den Kopf. Doch die Lebensentwürfe von Sinti und Roma sind ebenso heterogen wie die von uns Bayern. Genau hier setzt ein Pfeiler der neuen Sonderausstellung im Münchner Dokumentationszentrum an: Es ist der Versuch, diesem Denken und Sehen eine Wahrnehmung „gegen den Strich“ entgegenzusetzen.

Blick aus dem dritten Stock

© Jens Weber

Der Besucher der Ausstellung wird durch die Fotos, die vielen behördlichen Dokumente und die Exponate, die zeigen, wie Wissenschaftler und Ärzte an der Vernichtung mitarbeiteten, verstört. 1944 wurden gut 24.000 Rassengutachten erstellt. Die „medizinischen“ Experimente oder auch die an jungen Mädchen durchgeführten Sterilisationen – die Einwilligung in die Sterilisation versprach Sinti und Roma für eine gewisse Zeit Sicherheit – gehen mit Sicherheit jedem an die Nerven. Fassungslos dürfte der Besucher dem Umgang der BRD mit „Zigeunern“ gegenüberstehen: Für Sinti und Roma gab es lange gar keine Entschädigung, einige der jetzt agierenden Gutachter waren schon unter den Nazis tätig gewesen.

Zwangsverpflichtete Sinti bei Bauarbeiten in Giesing

Foto, © Privatbesitz Manu Höllenreiner

Erst seit der Bürgerrechtsbewegung der deutschen Sinti und Roma seit den Achtzigern zeigt sich ein Wandel in der Wahrnehmung dieser Menschen, einer seit Jahrhunderten in Deutschland ansässigen Minderheit, die ursprünglich aus Indien stammt. Seitdem ist eine gewisse Empathie für die gesellschaftlich Benachteiligten zu spüren. Dennoch flammt die Diskriminierung wieder auf: Stichwort Armutsmigration oder auch „Plünderung der Sozialsysteme“.