Che Guevara

Die "Faszination Che" begreifen!

Am 14. Juni wäre der gebürtige Argentinier Ernesto Guevara de la Serna, seines Zeichens Revolutionär, Doktor der Medizin, Vater von fünf Kindern und leidenschaftlicher Reisender, 75 Jahre alt geworden. Als er am 9. Oktober 1967 von einem betrunkenen Unteroffizier erschossen wird, hoffen Amerika – für sie hat er zwei oder drei Vietnams gefordert -, aber auch die Russen, den unliebsamen Freiheitskämpfers endgültig vernichtet zu haben. Doch sein Tod macht ihn lebendiger, als er es aller Wahrscheinlichkeit lebend je gewesen wäre. Der ehemalige Kampf-gefährte Fidel Castros wird zu einem Märtyrer, einer Legende.

Heute noch ist das Idol der Studentenbewegung zumindest durch das Foto mit Barett und langem Haar allgegenwärtig. Wer war der Mann wirklich? Und was wollte er? Wie steht es heute mit seiner Botschaft? Hat sie noch irgendeine Bedeutung? Gibt es jenseits seiner Vermarktung noch etwas anderes, was Che uns hinterlassen hat? Das Feature von Ursula Voss versucht hinter den Mythos Che, hinter die Legende und Ikone zu blicken.

Die Autorin war selbst in den Jahren 67 und 68 begeistert von Guevara. Auf ihrer Spurensuche durch Südamerika und Kuba wollte sie den Menschen hinter dem Helden sehen. Dem letzten Brief Guevaras an seine Kinder widmet sie besondere Aufmerksamkeit. Hier finden sich die unvergesslichen und eindringlichen Worte: „Seid immer fähig, bis aufs Tiefste jede Ungerechtigkeit, die auf der Welt jemandem angetan wird, zu empfinden. Das ist die schönste Eigenschaft eines Revolutionärs.“

In ihren Gesprächen mit Menschen, die Che (sein Spitzname, weil er die Floskel „Che“ („Hey“) so oft verwendete) kannten, hört man vor allem eines heraus: Ernesto Guevara de la Serna, geboren am 14. Juni 1928 in Rosario, Argentinien, war eine charismatische Persönlichkeit (Jean-Paul Sartre nannte ihn sogar „den vollkommensten Menschen unserer Zeit“), ein sensibler, willensstarker, intensiv lebender Mensch. Die zweite Frau seines Vaters meint, als Arzt wusste Che, dass er vieles in kurzer Zeit erleben und erledigen muss. In der Tat scheint sein bereits mit zwei Jahren auftretendes Asthma in hohem Maße für seine Lebensführung verantwortlich zu sein. Er galt als kinderlieb, äußerst human, war außerordentlich diszipliniert und streng, gegen sich, aber auch andere. Sein Hass auf Privilegien ist Legende. Er ließ wohl niemanden kalt; entweder man war begeistert von ihm oder man lehnte ihn ab. Der Fotograf des berühmten Fotos vom 5. März 1960 Alberto Diaz, genannt „Korda“, sagt, er sei sehr herrisch gewesen, zuweilen auch beißend ironisch und arrogant.

Ursula Voss: Versuchen wir das Unmögliche. Erinnerungen an Che Guevara. Feature, Spieldauer: ca. 55 Minuten. Der Audio Verlag, 1 CD mit Booklet.

Es hätte keine bessere Leitfigur für die Linken geben können. Che war Intellektueller, Oberschichtsangehöriger, gebildet und Doktor der Medizin. Che war/ist die Identifikationsfigur für eine gerechtere Welt. Davon hat Che geträumt, vom „hombre nuevo“, von einer Gesellschaft, „in der jeder nach seinen Fähigkeiten gibt und jeder nach seinen Bedürfnissen erhält“. Am Botschafter der „permanenten Revolution“ bewunderte man auch seinen Verzicht auf die Ämter, seine Absage an die Institution. Als Che in Bolivien noch mal beweisen wollte, dass die Befreiung mit dem Guerillakrieg gelingen kann, ist er gescheitert.

Ursula Voss führt selbst durch das Feature. Aus Interviews und Originaltönen von Che Guevara (1960 in Ostberlin), Fidel Castro (beim Verlesen von Ches Brief, in dem er auf alle Ämter verzichtet) und Rudi Dutschke entsteht das lebendige Porträt des Mannes, der für die Befreiung der Unterdrückten kämpfte. Die berühmt-berüchtigte „Faszination Che“ wird dabei um einiges verständlicher. Interessant und gut gemacht! Mit Christian Berkel und Thomas Thieme.

veröffentlicht auf amazon.de, Mai, 2003