INTERVIEW mit Charles Brauer

Interview mit Charles Brauer

Herr Brauer, Sie haben viele Talente: Sie sind Schauspieler – Sie hatten lange Zeit in Hamburg und München feste Engagements an renommierten Theatern -, im Fernsehen sind Sie beliebt durch Serien, Stichwort „Samt und Seide“, und Sie sind auch ein Profi-Hörbuchsprecher. Wer Grisham kennt, kennt auch Charles Brauer! Sie sind der deutsche Grisham. Sie machen aber auch ganz andere Geschichten, ganz aktuell das Marehörbuch „Niemand denkt an Grönland“ von John Griesemer.

Ja die beiden Romane von Griesemer – ich habe auch „Rausch“ von ihm gelesen – haben mir sehr gefallen. Die Geschichte ist in etwa so gelaufen: Der relativ junge Marehörbuch-Verlag kooperiert mit dem Hessischen Rundfunk, mit dem ich auch öfters zusammenarbeite. Man fragte mich, ob ich den Roman lesen wolle? Und da der HR das sendet, wird aus der Lesung eine doppelte Sache. Man kann es im Rundfunk und auf Hörbuch hören.

Und wie war’s mit Sandor Márai?

Das ist dann das große Glück, wenn man mit der Nase auf einen großartigen Autor wie Sandor Márai gestupst wird. Das war wunderbar! Das allererste, was ich von ihm gelesen habe, waren ja die Betrachtungen „Himmel und Erde“, dann „Ein Hund mit Charakter“, eine wunderbar ironische Weihnachtsgeschichte, aber vor allem das letzte „Die Nacht vor der Scheidung“ oder auch „Wandlungen einer Ehe“.

Ganz was anderes: In diesem Jahr feiert das Hörbuch seinen 50sten Geburtstag. Mit „Faust 1“ und zwar in der Inszenierung von Gustaf Gründgens wurde 1954 von der Deutschen Grammophon das Hörbuch, damals natürlich Sprechplatte genannt, geboren. Wann haben Sie Ihr erstes Hörbuch eingelesen?

Meine ersten Sprechplatten waren dramatisierte Karl May-Bücher, die damals Ende der 50er, Anfang der 60er von Philips produziert wurden. Aber meine wirkliche Hörbuchzeit beginnt erst in den 90er Jahren.

Herr Brauer, vor kurzem sind Sie mit dem sehr anspruchsvollen Preis, dem OSTERWOLD, für ihre herausragende Sprecher- bzw. Interpretationsleistung ausgezeichnet worden. Frau Osterwold, die Preisstifterin, sagt, ich zitiere: „Vorlesen können viele, so wie meine beiden ersten Preisträger nicht viele. Was ist das Geheimnis Ihrer Interpretation?

Das kann ich nicht erklären. Das müssen Ihnen andere sagen. Nur soviel vielleicht: Sprache ist mir mein Leben lang sehr wichtig gewesen, und ich hatte das Glück mit wunderbaren Regisseuren auf dem Theater zu tun zu haben. Das Lesen machte mir immer viel Spaß. Ich glaube, wenn man nicht gerne Bücher liest, keine Lust an der Sprache des jeweiligen Autors hat, dann wird man auch kein guter ‚Lautleser‘ sein.

Vielleicht liegt es auch ein wenig daran, dass – wie ich finde – Sie Ihren gelesenen Texten nicht einfach den Charles Brauer überstülpen, sondern oftmals angenehm zurückhaltend interpretieren

Frau Gut, ich vermute, dass ich wahrscheinlich ein gutes Gespür für Texte habe, dafür, wie ein Text dem Zuhörer vermittelt werden kann. Das ist ja immer die Balance, wie weit kann man in Dialogen charakterisieren, wie stark die Figuren sprachlich zeichnen. Man muss erahnen können, welche Haltung der Autor zu den Figuren hat. Mit der Entscheidung des Verlegers für einen Sprecher und dessen Interpretation steht und fällt das Hörbuch.

Als man damals bei Hoffmann und Campe einen Sprecher für John Grisham suchte, war bei der Entscheidung Ihr Kommissar-Image aus dem „Tatort“ in Verbindung mit Ihren professionellen Sprecherqualitäten ausschlaggebend.

Ja, da hatte man das Gespür für den Sprecher. Mit „Der Regenmacher“ machten wir den Anfang. Es funktionierte für den Verlag, und es verkaufte sich. Und dann ging’s weiter. Ich wanderte mit Grisham dann zu Heyne, Ullstein und bin jetzt bei Random House gelandet.

Sie beherrschen die Arbeit im Studio, und Sie sind wenig kapriziös, man arbeitet gerne mit Ihnen.

Ich bin sehr konzentriert, mir geht es immer sehr um die Sache. Es ist ja nicht so einfach, mit der Stimme tatsächlich das rüberzubringen, was man im Kopf hat. Also ich zick auch nicht rum, und es muss etwas herauskommen. Dabei spielt die Professionalität sicherlich eine Rolle.

Nach 16 erfolgreichen Jahren zusammen mit Manfred Krug haben Sie 2000 „Tatort“ beendet, aus „Samt und Seide“ sind Sie jetzt auch ausgestiegen. Werden Sie irgendwann einmal keinen Grisham, keinen Márai mehr lesen?

Nein das ist etwas ganz anderes. Solange ich gesund bin, und man mich fragt, werde ich Hörbücher lesen – wenn ich Zeit und Lust habe, versteht sich. Ich werde auch weiterdrehen, aber ich kann es mir leisten, nicht mehr permanent arbeiten zu müssen.

Das ist ja auch das Schöne am Hörbuch, dass Sie beim Hörbuch drei oder vier Tage im Studio sind, dann ist es erledigt. Steht Ihr nächstes Hörbuch-Projekt schon fest?

Ja, ich lese demnächst einen Text von Joseph Conrad, den ich sehr liebe. Die Erzählung „Freya von den Sieben Inseln“ produziert der Hessische Rundfunk mit mir, danach kommt es als Marehörbuch heraus.

Wen würden Sie denn gerne mal lesen?

Kafka! Aber es gibt ja auch so viele neue wunderbare Autoren.

Und hören Sie selbst Hörbücher?

Ich selbst bin nicht der tollste Hörbuchhörer. Und meine Frau hört mir bei öffentlichen Lesungen gerne zu, aber ein Hörbuch würde sie als Leseratte ersten Ranges niemals hören. Sie will sich die Bilder, die sie selber im Kopf hat, nicht nehmen lassen. Und meinem Sohn geht es genauso.

Sie haben mit elf Jahren Ihre erste Filmrolle gehabt. Gab es irgendwann in Ihrem Leben den Punkt, wo Sie mit ganz anderen Mitteln Ihr Geld verdienen wollten?

Nein, ich habe viel Glück gehabt, und habe damit ganz gut leben können. Man muss in diesem Beruf neugierig bleiben. Nein ich wollte nie etwas anderes machen.

Hat das Elternhaus Sie geprägt?

Nein, es hat keinen Schauspieler oder etwas Ähnliches in meiner Familie gegeben. Mein Vater war Schlagzeuger, hat aber nach dem Krieg sein Geld damit nicht mehr verdient. Meine Mutter hatte damit auch nichts zu tun. Beide waren allerdings musische Menschen.

Sie haben Georges Simenons „Brief an meine Mutter“ – ein autobiografischer Text von ihm – interpretiert. Das Verhältnis zu Ihrer eigenen Mutter ist ein ganz enges.

Nein, das Gegenteil von „Brief an meine Mutter“ ist bei mir privat der Fall. Ich habe – bestimmt durch den Krieg — ein ganz enges Verhältnis zu meiner Mutter. Ich war vier Jahre alt, als der Krieg begann. Mein Vater war in den sechs Jahren, in denen er im Krieg war, zweimal in Urlaub. Meine Mutter und ich, wir haben uns gut verstanden, und das ist bis heute so.

Ihre Mutter lebt noch?

Meine Mutter ist 95 Jahre alt und lebt in Berlin, hat eine Wohnung und macht noch alles selber.

Dann bleibt nur, dem Sohn dasselbe zu wünschen! Herr Brauer, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Porträt

Mit dem DEFA-Film „Irgendwo in Berlin“ startet der Berliner, gerade mal elf Jahre alt, seine Karriere. //Bevor er 1956 vom legendären Gustaf Gründgens an das Deutsche Schauspielhaus verpflichtet wird, nimmt er an der Max-Reinhard-Schule in Berlin Schauspielunterricht. //20 Jahre ist Charles Brauer festes Ensemblemitglied des Hamburger Theaters. //Nächste Station: Ab 1976 für sieben Jahre fest an den Münchner Kammerspielen engagiert. Nach 1983 gastiert der Schauspieler u. a. am Bayerischen Staatsschauspiel, bei den Salzburger Festspielen und an der Essener Oper. Zusammen mit Manfred Zapatka tourt er von 2001 bis 2004 als Wilhelm Furtwängler mit dem Stück „Der Fall Furtwängler“ von Ronald Harwood durch deutsche Städte. //Unvergessen ist Charles Brauers als Hamburger Tatortkommissar, den er von 1986 bis 2001 mit seinem Partner Manfred Krug spielt. Die beiden erhalten 2001 die Goldene Kamera. Ihre gemeinsam besungene CD „Tatort – Die Songs“ hat sich über 150.000 Mal verkauft. //Das Fernsehpublikum liebt Charles Brauer für seine Rollen in populären Serien wie „Frauenarzt Dr. Merthin“, „Dr. Lehrer Specht“ oder als Wilhelm Althofer in „Samt und Seide“. //Charles Brauer lebt mit seiner Frau, der Bühnenbildnerin Lilot Hegi, und seinem Sohn Jonas in einem Dorf im Baselland.