Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Knapp 1.500 Vorstellungen, eine Viertel Million Zuschauer und Anerkennung, aber auch harte Ablehnung. Seit 1996 liest ausgerechnet ein türkischer Staatsbürger aus dem zum Mythos stilisierten „Mein Kampf“ von Adolf Hitler.
Wenn der Schauspieler und Regisseur Serdar Somuncu im hämmernden Sprachduktus aus dem Tagebuch eines Massenmörders – denn mehr ist dieses Buch nicht – vorträgt, dann muss man lachen. Lachen über die Dummheiten und Banalitäten, über die „Ansammlung von sehr wirren Sätzen“ und über den unsagbar schlechten Stil. Ohne Macht ist dieses Werk eine Posse, in der gebrüllt, gegeifert und gebellt wird. Somuncu liest nicht nur vor, sondern stellt auch den Umgang des Gesetzgebers mit der problembeladenen Schrift in Frage. Denn es handelt sich hier um ein verbotenes Buch, dessen Besitz zwar erlaubt ist, das man aber weder kaufen noch verkaufen darf. Nicht weniger absurd klingt die Bestimmung, die besagt, dass der Vortrag von „Mein Kampf“, wenn an einem Stück gelesen wird, verboten ist. Mit einem solch ungeschickten Umgang wird das Werk, das ohnehin niemand kennt, zu etwas Besonderem gemacht und sein Mythos bestärkt.