Dieses Hörbuch klingt grässlich authentisch! Zum einen wegen des Stoffs des klassisch-zeitlosen Kindheitstraumas, das auf einer schrecklichen Vater-Sohn-Beziehung beruht und zum anderen wegen der Empathie, mit der dies vorgetragen wird. Sie verleiht dem an sich schon Erschreckenden den letzten erschütternden Schliff. Vielleicht liegt es auch an der außergewöhnlichen Klarheit und Präzision des Erzählten, dass man sich so sehr getroffen fühlt. Immerhin handelt es sich bei dem Verfasser ja um Franz Kafka, einen Meister der Sprache.
Kafka hat den in seiner Handschrift mehr als hundert Seiten langen Brief 1919 in einer Pension in Schelesen geschrieben. Er hat den Brief nie abgeschickt oder ihn dem Vater übergeben. Mit 36 Jahren hat er sich daran gemacht, in Form eines Briefes mit dem Vater „Frieden zu schließen“, den für sein gesamtes Leben so wichtigen Konflikt mit dem Vater schreibend zu bewältigen. Dabei versteht er seine Darstellung niemals als bloße Anklage, sondern ist immer bemüht die Schuldlosigkeit des Vaters festzuhalten. Zwei zu unterschiedliche Wesen, ein von Anfang an übermächtiger Vater, dem weder das Kind noch der erwachsene Mann ebenbürtig werden konnten – so hören sich seine Entschuldigungen an.