Jindrich Mann, Bohumil Hrabal, Reiseführer Tschechien

Unbekannte Geschichte der Familie Mann

Die Mischung aus Autobiografie und träumerischer Rekonstruktion der Vergangenheit macht den ganz eigenen Ton dieses Buches aus. Es ist eine Geschichte, bei der Imagination und realitätsgetreue Beschreibungen Hand in Hand gehen. Und bei der Prag und die „anderen Manns“, die Familie des Schriftstellers Heinrich Mann, im Mittelpunkt stehen. Jindrich Mann, der Enkel Heinrich Manns, erzählt in der Ichform von seiner Kindheit in den 50er Jahren im kommunistischen Prag. Seine Eltern, der in der Tschechoslowakei beliebte Schriftsteller Ludvík Aškenazy und die Tochter des in der DDR hoch verehrten Heinrich Mann konnten relativ unbehelligt leben. Dennoch ging der Autor mit seiner Familie und dem jüngeren Bruder 1968 in die Emigration nach Deutschland. Diese eigene Lebensgeschichte und die Fülle an Zeit- und Epochenbeschreibungen machen den realistischen Teil seiner Erzählung aus. Den anderen Teil bestimmt die Fantasie, mit der sich der Autor in das Leben seiner Verwandten versetzt.

In 26 Kapiteln macht er sich auf Entdeckungsreise in die Vergangenheit, die sich zu einem großen Teil zwischen Prag und Berlin abspielt und drei Generationen in die Emigration schickt: Seine Großmutter ging als Schauspielerin 1912 von Prag nach Berlin, heiratete dort zwei Jahre später Heinrich Mann, und kehrte dann 1933, geschieden, mit ihrer Tochter Leonie aus München zurück nach Prag. 1946 starb sie an den Folgen der Haft im KZ Theresienstadt. Jindrich Mann selbst in Prag aufgewachsen ging nach der Niederschlagung des Prager Frühlings zuerst nach München und kurz darauf nach Berlin. Nach der Samtenen Revolution zog es ihn wieder in seine Heimatstadt zurück.

Das Leben als Traum

Jindrich Mann ist ein wunderbarer Fabulierer und Träumer. Er fragt sich, wie es war und inszeniert dann mit einem ausgeprägten, plastischen Gespür Momente im Leben seiner Vorfahren: Sein Großvater väterlicherseits in Berlin am Andechser Bahnhof, die Großmutter Maria, genannt Mimi in Berlin, mit der Tochter Leonie bei der Ankunft 1933 in Prag oder seine Mutter, als sie 1934 ihren Vater, den Ehrengast zur P.E.N-Tagung begleitete. Mann spinnt sich regelrecht in ihr Leben ein. Die Szenen, die er entwickelt, sind derart plastisch, dass der Leser mit den Figuren wünscht, hofft und leidet. Gleich am Anfang des Buchs weist der Autor auf die Bedeutung des Traumes hin – sein Lehrer Herr Holubář, hat ihm als Kind die eigenwillige Hypothese angedeutet, „dass das Leben ein Traum sei“. Charakteristisch für sein Schreiben sind das virtuose Wechseln der Zeitebenen und die genauen, bis ins Detail ausgefeilten Beschreibungen von Gegenständen und Bewegungen. Die perfekte Choreographie, mit der sein Lehrer den Unterricht gestaltete“ liest sich bei dem Filmemacher Mann so: „ Auf der Höhe der dritten Schulbank wippt er stets auf den Zehenspitzen. Spannungsreich verzögerte er den Schwung, um, auf dem Gipfel dieser Bewegung, in einem wagemutigen Stillstand zu verharren.“

Nicht nur die Träume und Imaginationen, auch die ‚realistischen’ Zeit- und Epochenbeschreibungen sind leicht und wendig geschrieben: Im Prag der 50er Jahre war es gängig, dass man nicht studieren durfte, weil die Eltern und Verwandte nicht zuverlässig waren, Familienmitglieder waren „ausgelöscht“, weil sie seit Jahren im Kerker saßen. Als Kontrastprogramm erzählt der Autor von der Ersten Republik von 1918-1938. In dieser in jeder blühenden Zeit gab den Poetismus, Dada und den Surrealismus, es gab Absinth für die Schöngeister und es gab eine florierende Wirtschaft. Und der Prager Frühling? Jindrich Mann zeigt, wie hoffnungsvoll die Stimmung in dieser kurzen Periode war und wie er sein trauriges Ende fand.

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